M - Willkommen im Winter-Wunder-Land

18Jan2016

Genau das ist es voraussichtlich, in dem wir am Samstag aufwachen. Im Zimmer sind angenehme 23 Grad und wie wir erwartet haben, jeder einzelne Federkern ist in den Knochen spürbar. Aber sonst haben wir sehr gut geschlafen.
Dann werden die ersten Schichten angelegt (Unterhose, Unterhemd, Normale Hose, Longsleave und Pullover) und ab zum 22 Kuai Frühstück. Dort treffen wir auch unsere Mitreisenden. Ein befreundetes deutsches Expat Pärchen, die, wie wir, relativ frisch von Deutschland nach Shanghai gezogen sind.

Der Frühstücksraum ist voller Leute und es gibt eine geringe Auswahl an chinesischen und eine noch geringere Auswahl an westlichem Frühstück. Wir decken uns mit schneeweißem Toast ein und bedienen uns an der einen Marmelade. Der Saft hat auf jeden Fall noch keine Frucht gesehen, aber sonst reicht es um die Energiereserven Aufzufüllen. Was ich vorher noch nie gesehen habe: Das Unterteil eines Eierkochers (ohne den Aufsatz für die Eier) wird hier als Herdplatte benutzt und jeder macht sich sein Rührei oder Spiegelei selbst… das Dauert ewig und sieht auch nicht sonderlich appetitlich aus… Also kein Ei für uns. Aber Hey, für unter drei Euro mit Kaffe und "Saft", ist das Frühstück echt nicht schlecht. :-)

Nach dem Frühstück geht das Anziehen weiter. Wir zünden unsere bei Decathlon erstandenen Wärmepads für Hände und Füße. Weiterhin pack ich zwei Große in die Kameratasche um den Akku am Leben zu halten. Nach 10 Minuten glühen  diese und wir sind mit Skihosen, warmer Mütze doppelten Handschuhen und Winterschuhen  gerüstet - denken wir zumindest. Mir wird auf einmal klar, dass Menschen in Harbin immer 20 Minuten zum Anziehen einplanen müssen. Krass...

Nun aber runter ins Foyer und da steht auch schon Notte mit einem unglaublich schwer zu übersehenden Pandabären Rucksack. Er ist unser Guide für die nächsten zwei Tage und mit dem Rucksack werden wir ihn auch nicht verlieren. Vermutlich ist das Absicht.

Er begrüßt uns freundlich und macht gleich einen aufgeweckten und offenen Eindruck. Das könnte klappen mit uns. Die anderen Touristen stehen noch m Counter und bestellen Taxis und lassen sich beraten, während wir ganz entspannt zum Fahrer von Notte ins Auto steigen und ab geht die Post. Mittlerweile sind wir der Meinung: Gut das wir nen Guide genommen haben.

Das Thermometer im Auto zeigt eine Außentemperatur von -28 Grad Celsius an. Die wird im Laufe des Tages bis auf -23 Grad klettern und dann wieder rapiede fallen. Es ist nicht wirklich ein kalter Winter erklärt uns Notte, während wir auf dem Weg zum Sibirischen Tiger - Park sind. Dabei überqueren wir eine Brücke, die man im Winter gar nicht braucht, da der Fluss ca. ein halbes Jahr auch so begehbar ist und in knapp 20 Minuten auch zu Fuß überquert werden kann. Hauptsächlich, da er komplett zugefroren ist. Weiterhin fällt uns auf, dass auf der Strasse kein und daneben nur sehr wenig Schnee liegt. Uns wird erklärt, das es in Harbin nur am Anfang und am Ende des Winters schneit. Sobald die Temperaturen unter -12 Grad sind räumen Sie den schnee weg und die paar Eiskugeln die dann noch runterkommen sind schnell weggekehrt.

Am Park angekommen raus aus dem Auto an die frische nicht sooo saubere harbiner Luft... Hui das beißt n bisschen, aber unsere Zwiebeltaktik mit Wärmepadverstärkung funktioniert. Notte parkt uns an der Seite und holt die Tickets, wir schauen auf eine riesen Schlange, die am Eingang steht. Kaum das wir uns überlegen wir lange wir hier wohl anstehen werden, steht Notte wieder da und bittet uns zu einem zweiten Eingang. Da ist nix los und wir kommen direkt rein. Wie er das wohl gemacht hat?

Dann ab in einen Bus und damit fahren wir durch den Park. 500 Raubkatzen haben sie hier. Sibirische Tiger, weiße Tiger, Löwen, Liger (kannte ich vorher nicht, die Kreuzung eines Tigers mit einem Löwen. sozusagen ein Tiger mit Löwenkopf), Pumas und Schneetiger. Der Großteil davon schleicht in dem Park um unseren Bus herum und sieht hungrig aus. Ein paar liegen auch in der Sonne. Wir haben echt Glück mit dem Wetter.



Nachdem wir einmal durch den Park durch sind geht’s auf eine Art Hoch-Weg, der komplett vergittert ist, auf dem man sich das ganze nochmal ohne Bus anschauen kann. Hier kann man auch für 3 Euro ein Stück Fleisch kaufen, was dann verfüttert werden kann. Für die, die bisschen mehr Action wollen gibt’s auch ein lebendes Huhn für 40 Euro. Das wird dann durch ein Loch zu den Raubkatzen geworfen und ab geht die Post. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es schade oder vielleicht auch gut ist, dass aus unserer Gruppe keiner das Huhn kauft.

Apropos Huhn. Danach geht’s zum Essen in ein einheimisches Restaurant. Wir bestellen anhand von Bildern und probieren auch das Harbin typische frittierte Schwein in einer süßen, fast honigartigen Soße. Das ist echt sehr lecker. Die Überraschung folgt mit der Rechnung. 370 kuai (40 Euro) für 4 Personen. Das zahlt man in Shanghai für zwei.



Danach geht es nach Sun Island. Notte sagt "wait here, I get tickets". Und wieder bekommen wir den VIP Zugang. Das läuft doch über Beziehungen oder?? Innen drin sind sehr viele Schneeskulpturen und Eisbauwerke in einem Park angeordnet. Während die Sonne untergeht, bestaunen wir Schiffe, die aus Eisblöcken gebaut sind und bis zu 20 Meter hohe Schlösser komplett aus Schnee. Nebenbei tanzen 40 Chinesen in Kostümen den Club-Tanz des Parks. Anders als in Deutschland machen hier fast alle Parkbesucher mit. Was für eine Show.



Kaum das die Sonne den Horizont berührt geht es zum nächsten Park. Notte sammelt uns zusammen, und holt wiedermal die „tickets“. Nur das wir diesmal keine Eintrittskarten bekommen, sondern einfach an einer chinesischen Reisegruppe angeschlossen werden. Er erklärt uns, dass wir die nach dem Eingang verlassen können, aber so kommen wir schneller rein. Passt auch soweit. Wir sind dann wieder am Reisegruppeneingang und überholen alle, die neben uns stehen. Er weiß halt wie man es macht. Der Guide hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Im Ice and Snow Park sind die Eisskulpturen noch größer, fantastisch mit Licht in Szene gesetzt und man kann sogar durch ein riesiges Prinzessinnenschloss aus Eis laufen. Es gibt ein Skoda-Eis-Autohaus und riesige Türme und Tempel. Es ist viel Los, aber es verläuft sich doch recht gut. In dieser Wunderwelt kommen dann auch meine Akkus für die Kamera langsam an die Grenze, da ich diese kaum noch in die Tasche packen kann zum Aufwärmen. Es gibt einfach zu viel zu sehen, zu erleben und zu fotografieren. Teilweise stehen mehrere 100 Meter lange Menschenschlangen in der Gegend rum, um auf einen Eisberg zu kommen und dann mit einem Schlitten oder einem Reifen eine Eisbahn wenige Sekunden wieder runterzurutschen. Ich komme mit meinen drei Akkus für die Kamera gerade so hin um noch das Abbild der chinesischen Mauer aus Schnee im Hintergrund zu fotografieren, bevor wir uns, mit langsam kälter werdenden Füssen und Händen,auf den Weg nach draußen machen.



Notte bringt uns mit dem Fahrer zurück ins Hotel und wir wärmen uns kurz auf, bevor es zum Abendbrotessen in eine Mall geht. Westliches Essen im „NuBa“ – Einen Salat, zwei Pizzen und Nudeln, dazu Getränke. Uns geht’s hier echt gut, wir müssen uns nur knapp 10 Minuten lang ausziehen, da es hier drin deutlich zu warm fuer unsere Klamotten ist. Nach dem Essen die Rechnung. 143 kuai. 20 Euro. Zu viert. In Shanghai verarschen Sie uns doch…

Die harte Matratze merk ich an dem Abend nicht mehr. Wir sind 21:30 im Bett. Total fertig von fast 18km Laufen bei -24 Grad Celsius… Grad noch wollt ich was schreiben, da geht auch schon das Licht au...

Am nächsten Tag kommt wieder ein typischer China Moment… Wir kommen in die Lobby, 50 Menschen wollen auschecken. Dabei dudelt im Hintergrund Warteschleifenmusik. Das passt wie die Faust aufs Auge. Das Personal ist total überfordert. Ein Schalter wird von einem Deutschen belegt, der sich beschwert. An den anderen drängeln wir uns dann ran. Beim Auschecken dann Ernüchterung. Sie können die Sicherheitsbuchung der Kreditkarte nicht zurückbuchen, weil sie den Zettel nicht mehr lesen können. Zwei Ziffern sind unleserlich, weil das Papier dort geknickt wurde. Nach einigen Minuten Diskussion stellen wir fest dass der deutsche Kollege neben uns am Schalter dasselbe Problem hat. Es bleibt spannend. Wir gehen derweile erstmal in die Stadt in der Hoffnung dass später weniger los ist. Interessanterweise sehen wir jetzt, wie dasselbe Mädel 5 Minuten später beim Check in des nächsten Pärchens den Zettel nimmt und ihn wieder knickt. Na die werden auch ihren Spaß haben, wenn sie auschecken wollen. Naja Analyse und Lessons Learned ist halt nicht ihre Stärke hier in China…

Wir schauen uns jetzt erstmal das (meist aus russischen Gebäuden bestehende) Stadtzentrum an und besuchen eine Kirche, die recht runtergekommen wirkt. Man beachte die lustigen Ohren an den Mützen vor der Kirche. Nahezu alles in China hat Ohren. Mützen, Jacken, Handys, Besonders lustig sieht das mit I-Pads aus. Die Innenansicht zeigt die Standard Touristendirchte in China und die leider von innen total verfallenden Wandgemälde. Warum die Touristenattraktion nicht renoviert wird wollen wir wissen. Kein Geld vom Staat sagt Notte. Schade, die könnte wirklich noch so viel schöner sein.



Dann noch einen Abstecher zum überfrohrenen Fluss. Ich wollte schon immer mal übers Wasser wandeln und weitere 5000 Chinesen sehen das auch so und leihen verschiedenstes Gerät dafür aus. Stühle auf Kufen, Schneemobile, Menschengrosse aufblasbare Gummibälle, mit denen Sie über den Fluss rollen. Schlittschuhe und so weiter und so fort. Es ist ein Gewusel hier und ich bin froh von der Eisfläche wieder runter zu sein. Ersten weil es spiegelglatt ist, aber auch weil wenige der Gefährte die hier vertrieben werden, viel Rücksicht auf Fußgänger nehmen.



Dann geht’s durch die Central Street. Russische Häuser, klassische Musik. Irgendwie kommt es mir gar nicht vor wie China. An einem Haus machen wir einen Stopp und Notte erklärt uns, dass hier das leckerste und traditionellste Eis von Harbin hergestellt und verkauft wird. 3 kuai (40cent) das Stück und leckerer als das Vanille Eis von Hägen Dasz neben an (was ca. 12-mal so viel kostet) Das Beste: Man kann sich mit Essen zeitlassen. Bei -22 Grad Außentemperatur schmilzt es nicht. Allerdings ist es mehr zum Abbeißen. Mit der Zunge kann das nämlich sogar etwas schmerzhaft werden, falls sie daran festklebt.



Bevor es dann zum Flughafen geht machen wir noch ein Late Lunch in einen localem, chinesichen Restaurant. Wieder sehr lecker und vielfältig. Ein Gericht ist eher ein Dessert und sowas hab ich zuvor noch nie gegessen. Lilane Süsskartoffeln mit Zucker glasiert und bunten Streuseln. Klingt abenteuerlich, schmeckt wirklich gut, wenn auch eher was für nach dem Essen. Während wie so die Süsskartoffeln essen, machts Gong und es plärrt aus irgendeinem Radio ein gegagger und gekrähe. Dann rennen zwei Chineinnen mit ner roten Trage an uns vorbei... Es gaggert und gongt, bis Sie an einem anderen Tisch stehen bleiben und das Huhn servieren. Hm... Das nächste mal nehmen wir das Huhn, oder? Das hat sich der Tiger sicherlich auch gedacht... :-)

Jetzt aber ab zum Flughafen. Ein wirklich tolles Wochenende. Am Flughafen entledigen wir uns dann erstmal der ganzen warmen Sachen und packen die in den Koffer. Es ist aber auch wirklich warm da drin. Am Gate stellen wir dann fest: Wir fahren mit dem Bus zum Flugzeug. Och nö... Ohne Skihose und Pullover raus bei -30 Grad in den Bus und dann wieder vom Bus ins Flugzeug. Das zieht wirklich heftig. Wenigestens können wir diesmal den (wirklich verstörenden) Chinesischen Film zuende anschauen, da Sie eher angefangen haben. Im Flughafen Shanghai angekommen stellen wir fest dass wohl ein paar Koffer falsch angekommen sind… Zum Glück liegen unsere schon dahinter auf dem Gepäckband.


 
Und wir lernen, dass es nicht nur einen Locker-, sondern auch einen Lecker-Room gibt. Was da wohl drin ist…

Alles in allem ein tolles Wochenende mit Freunden. Das war sicherlich nicht unser letzter gemeinsamer Ausflug, aber vielleicht machen wir den nächsten dann nicht bei -30 Grad Celsius…