M - TianZhuShan, oder auch "Ahhh, meine Beine..."

04April2016

Ich kann es nicht glauben...

Wir sind heute genau ein halbes Jahr hier. Sechs Monate leben wir nun schon in Shanghai. Haben soviel erlebt, erfahren, ausprobiert, gelacht und gemacht. Coburg ist mittlerweile gefühlt unglaublich  weit weg. Und Shanghai ist einfach überall. Wir sind richtig gut angekommen und wenn ich mir mal 5 Minuten Zeit nehme hier im Block nach zu lesen und zu reflektieren, was diese Stadt uns schon alles ermöglicht hat, dann ist mit vollkommen klar, warum das halbe Jahr sich so speziell anfühlt. So kurz und lang zugleich.

Aber nochwas ist mittlerweile ein halbes Jahr her. Vielleicht sogar länger... Wir haben uns ja meist fürs essen, und weniger fürs bewegen entschieden. Das hat sich dieses Wochenende deutlich gerächt.

Wir waren vom 2.-4. April "hiken" am TianZhuShan oder auch TianZhuMountain. Die nackten Zahlen vielleicht zuerst:42km Wanderweg, 52.000 Schritte, jeden Tag spätestens 6:30 aufstehen...

Kurz zusammengefasst: "Was für eine krasse Erfahrung!"

Beginnen wir aber beim Kilometer 0...

Wir haben mit Dragon Adventures einen Trip zum Wandern rund um den TianZhu Berg gebucht. Schließlich ist der Montag frei und irgendwas muss man ja mit dem langen Wochenende anfangen. Das ganze Paket war mit 1700RMB für zwei Übernachtungen, all inklusive vergleichsweise günstig.  Am Anfang gabs ein bisschen Verwirrung, weil keiner so richtig wusste, welcher Treffunkt jetzt der richtige ist, aber durch eine gemeinsame WeChatgruppe aller Mitreisenden ließ sich das schnell klären. Wir fliegen von Hongqiao...

Was? Ich dachte 5 Stunden Zug? - Nö... Wir sind nur 18 in unserer Reisegruppe und da es deutlich Zeit spart, wird geflogen. Ich mach mir bissel Sorgen, was da fürs Hotel noch übrigbleibt, wenn wir fliegen. Lassen wir uns überraschen.

Bei uns in die U-Bahn, 20 Minuten später am Flughafen wieder raus und 10 Minuten später sind wir eingecheckt  und am Gate. Das ist ja der Wahnsinn.Wir sollten immer vom kleinen Flughafen in Shanghai fliegen. Schon alleine dass wir in 20 Minuten mit der U-Bahn direkt ans Terminal fahren können ist toll.

Am Gate treffen wir dann auch unsere Reisegruppe zum ersten Mal. Na klar, die Schweden sind mit dabei. Aber es kommen auch zwei Japaner, zwei Inder, zwei Koreaner, eine Framnzösin, eine Indonesierin, ein Pole und unser chinesischer Reiseführer. Das nenn ich mal eine Multikultitruppe...

Ab ins Flugzeug und knapp ne Stunde Später landen wir auch schon in Anqing. Von da aus gehts mit dem Bus erstmal zum Essen. Wie sollte es auch anders sein. :-) Das Tolle ist, bei lokalen chinesischen Gerichten kommen wir alle ins Gespräch und es entstehen gleich die ersten Verbindungen am runden Tisch. Draussen ist es derweilen 20 Grad warm und regenet wie verrückt. Drinnen hingegen ist es eher kalt und alle lassen die Jacken an. Und es gibt kein fliessend Wasser. Was den Toilettengang etwas schwierig gestaltet.

Wer kennt noch die orangenen Plastik-Schüsseln, die in den neuen Bundesländern früher benutzt wurden? Ratet mal was wir zum Hände waschen hatten....

Wieder ab in den Bus und weiter zum ersten Stop:



Einer wunderschönenkleinen Waldoase mit einer "kleinen" Steilwand. Mittlerweile regnet es noch stärker und wir werden langsam wirklich nass... Was wir hier machen, wollen wir wissen. Naja, wir haben ja diesesmal Aktivurlaub gebucht. Also...



gehts erstmal diese Steilwand hoch. Hier merken wir was wir für Sportskanonen mit in der Gruppe haben. Einige marschieren hier hoch, als ob Sie im Wald ein bisschen spazieren gehen, Andere müssen in der Mitte des einfachsten Pfades erstmal wieder aufgesammelt werden. Aber die Belohnung kommt dann keine 30 Minuten später...



Mit einer Seilrutsche (Zip-Line) gehts dann gute 800m durch die grüne Oase wieder runter. Dabei gibt der Nebel und die hohe Luftfeuchte eine wahnsinns Atmosphäre. Das Grün kommt dadurch unglaublich gut zur Geltung. Und während ich angeseilt durch den Nebel segel fällt mir das erste mal richtig auf, wie toll die Luft hier ist. Es richt ein bisschen wir im Sommer nach einem Regen...

Nachdem wir alle wieder unten heile angekommen, und im Bus, sind, gehts zum ersten Hotel. Plötzlich fährt der Bus auf einen Hinterhof. Ha... ich wusstes. Bei dem Flug kann nix mehr vom Budget übrigbleiben.

Falsch geadacht. Er fährt an einen LKW. Ein Chinese schaut verstohlen um den Bus und macht den LKW auf. Wisst ihr was drin war? Eine Tankstelle. In einem LKW auf einem Hinterhof. Das riecht verdächtig. (nach Diesel) :-)

Danach geht weiter durch die Stadt, in der es nicht eine einzige westliche Kette gibt. Noch nicht mal Starbucks hat hier ne Filiale. Das kann ich kaum glauben. Aber vielleicht haben die auch ihr ganzes chinesisches Filialenkontingent in Shanghai aufgebraucht. Zumindest hab ich meist genau dieses Gefühl wenn ich alle 10m in Shanghai eine MilchMixCompany sehe.

Wir kommen derweile am Hotel an und es ist echt OK. Alles da was man braucht. Warm, sauber, ja das hätte ich so gar nicht erwartet. Nachdem wir uns nochmal ne Stunde von dem Schock der Steilwand erhohlen können, werden wir zum Abendessen abgeholt. Unser Guide hat geschrieben, es geht ins beste Restaurant der Stadt. Na ich bin gespannt. Nicht das es nur eins hier  gibt...

Es geht mit dem Bus wieder in einen Hinterhof. Diesmal allerdings nicht zum tanken, sondern weil hier das (beste) Restaurant (der Stadt) ist. Raus aus dem Bus, durch den Regen gehupft und rein in die gute Stube. Es richt nach Farbe und Lösunsmittel. Überall wird mit Farbe gerollert und Tapete abgekratzt. Unsere Blicke beantwortet der Guide ganz einfach mit: "Ja, wird gerade renoviert, aber es ist das beste Essen der Stadt." Und damit mag er recht haben. Es wird wieder in chinesischer Tradition am Runden Tisch aufgebaut und alle essen von allem. Es ist wahnsinnig lecker. Fisch, Ente, Tofu, Gemüse (welches, das ich vorher noch nie gesehen habe) und verschiedenes Fleisch schmeichtelt unserem Gaumen. Wenn nur nicht die Gräten und Knochen wären, auf denen man ständig rumkaut. Aber man gewöhnt sich dran. Und wärend ich mir gerade ein weiteres Stück Fisch auf den Teller hau, lobt der Japaner neben mir unsere Stäbchenkünste... Nicht schlecht für 6 Monate China... :-)

Auf einmal lautes Gequiecke vor der Tür. Eine Fledermaus hechtet zu uns herein und verfängt sich in der Lampe. Ich hab so ein Tierchen noch nie so nah gesehen. Während die Jungs alle fasziniert nach oben starren, sind die Mädels ein bisschen aufgeregt. Unser Guide kommt zu uns reingesprungen und jagt der Fledermaus mit seinen Stäbchen hinterher. Was für ein Bild. Es wird viel Gelacht und der Kopf eingezogen, bis das Tierchen wieder verschwunden ist. Zum Abschluss gibt es dann nich einen Reiswein (BeiJu). Es wird Prost gerufen. Und Skol, und Cheers, und GamBai und TinTin, und.... Was für ne Truppe... :-)

Zurück im Hotel fallen wir einfach nur noch ins Bett. Mal sehen was der morgigen Tag uns so bringt... 

Und da ist er auch schon 7:00 und wir sind wie gerädert... Das Bett war Marke Hartholz...Das Frühstück... hm naja. Heisses Wasser, BaoZi (Hefeklos) schwammartige Süsskartoffel... Oha.. naja probieren wir wenigstens das Ei. Joar, das geht. Alles mit heißem Wasser hinterspülen und weiter gehts. Draussen regnets und gewittert es. Wir fahren ne halbe Stunde Bus, dann müssen wir unsere Rucksäcke regendicht machen und schultern. Zum Glück haben wir im Decatlon an der CaoYangLu ordentlich eingekauft. Das wäre sonst nix geworden. Der Bus bleibt nämlich unten. Und wir machen uns an den Aufstieg. Von 400 auf knapp 1000m. Meine Beine brennen. Hätten wir doch nur mal etwas Sport gemacht... Die Jungs sind schon lange ausser Sicht. Wir zwei bilden mit einer Französin und der Indonesierin das Schlusslicht. Zwischendrin kommen immer mal wieder kleine Shops, wo wir Wasser kaufen und auch die Schweden, oder gar manchmal die anderen Jungs wiedertreffen, bevor Sie wieder ausser Sicht geraten. Ist aber auch nicht schwierig bei knapp 10-50m Sichtweite im Nebel.

 

Trotzdem entwicklet sicher der 1,5 Stunden dauernde Trip zu einem total atmosphärischem Erlebnis. Die Beine brennen, A und ich atmen schwer. Der Rucksack mit unseren 15kg Übernachtungsgepäck drückt. Wir gehen weiter. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für ein tolles Gefühl es war, als wir endlich am Hotel auf knapp 1000m ankommen. Die Sachen haben fast dichtgehalten. Obwohl wir keine Regencapes gekauft haben, die die Einheimischen hier für 5 RMB anbieten. Ich ärger mich, dass ich nicht die wasserdichte Kamera mnitgenommen habe. Die Große hält dem Regen nicht stand... :-(

Als wir unser Zimmer beziehen fällt zumindest auf, dass es nicht unbedingt so gut ist, wie das vorhergehende. Eher so Jugendherbergsstil. Das Bad ist kalt und sieht nicht so ansprechend aus. Aber die Betten sind zumindest eher Weichholz. Damit können wir umgehen. Auf Nachfrage werden an unsere Gruppe zwei Föne verteilt. Dann gehts erstmal ans Duschen und Klamotten trocknen. Dann versuche ich meine Kamera mit einer Folietüte zu kombinieren, was auch ausreichend funktioniert. Die nächste Tour kann losgehen. Es geht heute noch zum Gipfel. Auf knappe 1500m.

Vorher wird hier noch schnell Mittag gegessen.



Im dichten Nebel machen wir uns weitere 2 Stunden auf den Aufstieg. Auch wenn ich den grossen Rucksack nicht mer dabei habe, meine Beine sind trotzdem der Meinung, dass es wirklich sehr anstrengend ist. Es bleibt bei der Aufteilung. Wir mit den beiden Mädels und jetzt auch den Schweden hinten. Die aktiven Jungs wieder vorn. Vielleicht liegt das auch am Alter. Die meisten in der ersten Gruppe sind unter 26. Wir eher alle so um die *hust*ig. Da wir mit einer grossen blonden Schwedin unterwegs sind, bekommen wir aber auch ständig unfreiwillige Pausen beim Aufstig. Jeder will ein Foto mit dem grossen Blonden Menschen. Am Besten mit allen LaoWei zusammen. Einer fragt unseren Guide wo die alle denn hekommen. Dann gehts los: DeGuor, RuiDien, PoLan, FaGuor, HanGuor, RiBen... es hört gar nicht mehr auf. Der Chinese lacht nur und unser Guide lacht mit.

Als wir endlich oben sind haben sich die Wolken total um den Gipfel zusammengezogen. Leider ist nichts mit toller Aussicht. Der Nebel hat zwar auch was, aber ich hätte lieber mal ins Tal geschaut. Und es ist kalt. Und nass. Wir trinken am Gipfel noch nen heissen Tee, bevor wir feststellen, das die Wolke nicht mehr vom Winde verweht wird. Unser Tourguide bietet daher noch eine Tour am nächsten Morgen um 6:00 an. Dann sollte es nicht mehr so neblig sein. Während wir uns wieder 2 Stunden auf den Abstieg zum Hotel machen fängt es wieder stärker zu regenen an. Wir sind echt froh als wir wieder im Hotelzimmer sind. Das Bad war zwar nicht wirklich so toll, aber das heisse Wasser der Dusche frohlockt und wir Duschen um dann im Hotelbett zu landen. 19 Uhr gehts wieder zum essen. Chinesisch... Wieder sehr lecker. Aber irgendwie wird mein Heißhunger auf einen Burger immer schlimmer. Das Essen ist sehr lecker. Und man überfrisst sich nicht so. Trotzdem machen wir mit den Schweden aus: Morgen, zurück in Shanghai gehen wir Burger essen, ok? - Ok... :-)

20:30 nach dem Essen ist "Social Party" angesagt. Konnte sich keiner was drunter vorstellen. Im Endeffekt war es dann gemütliches Besammensein in einem (dem kleinesten) der Zimmer mit Kartenspiel, Bier und BeiJu. Hatten wir einen Spass. Gegen 22:00 waren wir dann aber im Bett. Und während wir da so lagen konnte ich richtig spüren, wie meine Muskeln in den Beinen versuchen sich auszuruhen. 33km waren da schon auf der Uhr...

Am nächsten Morgen um 5:30 stell ich fest das die Klimaanlage zwar die ganze Nacht über viel zu laut war, aber ganze Arbeit geleistet hat. Ich kann in trockene Funktionsklamotten schlüpfen und während sich A noch mal rumdreht macht ein kleiner Teil der Gruppe sich nochmal auf den Weg zu einer "einstündigen" Hiking Tour. Wir haben Blauen Himmel und keinen Regen. Gegen 7:30 sollen wir beim Frühstück sein.

Was soll ich sagen. Das Aufstehen hat sich gelohnt.







Es ist einfach atemberaubend schön. So schön, das wir erst 8:30 wieder zurück sind. Schnell noch ein Ei und einen Toast (Ja, hier haben Sie sogar Toastbrot, nur keinen Toaster) reingehauen. Dann heisst es schon wieder ausschecken und Abstieg. Die Truppe ist mittlerweile sehr gut eingespielt. Wir erfahren von einigen, die schon länger in Shanghai lebenden, wohin man unbedingt noch muss. Wo gute Restaurants und Spas sind. Usere To Do Liste für China füllt sich. Ob wir das alles auch noch in den verbleibenden 2,5 Jahren schaffen, kann ich allerdings nicht abschätzen. Auf jedenfall sind wir uns mit den Schweden schonmal einig: Der Nächste gemeinsame Trip wird nach Yunnan gehen. Nach 30 Minuten tauchen wir wieder in die Wolkendecke ein. Nach einer weiteren Stunde sitzen wir im Bus auf dem Weg zum Flughafen. Unser Guide hat sich wohl etwas in der Zeit zum Flughafen verechnet. Oder es war, weil wir unsere Frühwandertour etwas in die Länge gezogen haben. Auf jedenfall wurde uns sehr schnell klar. Das mit dem Flug erwischen wird knapp...

Das muss wohl auch dem Busfahrer aufgefallen sein. Der fährt wie eine versengte S... und biegt plötzlich auf eine Nebenstrasse ein. Diese führt direkt aufs Rollfeld des Flughafens. Das Gegröhle ist gross als wir plötzlich auf einer 14m breiten "Strasse" dem Flughafen entgegenrasen. Hätte de Bus Flügel gehabt, hätten wir gleich mit dem Ding zurück nach Shanghai fliegen können. So hat uns der Busfahrer dann doch an der Eingangshalle rausgelassen und wir haben gerade noch so unsern Flug erwischt. Was für ein Trip. Eine Stunde später sind wir in Shanghai. 30 Minuten später Zuhause. Hat schon was in einer Stadt zu wohnen wo beide Flughäfen per U-Bahn angebunden sind.

Eine Stunde später treffen wir uns mit den Schweden zum Burgeressen. Nur leider hat der Burgerladen unsere Wahl zu. Dann halt Pizza in der Liquid Laundery. Und zum Nachtisch eine Belgische Waffel mit Beereneiscrem. Nachdem wir über 42km bergauf und bergab gelaufen sind, haben wir uns das verdient. Dabei werten wir unser "Dragon Adventure" TianZhuShan aus... Tolle Gegend, frische Luft und vor allem sind wir kaum einem Menschen begegnet. Hat sich echt gelohnt.

Jetzt bleib nur noch eins: Ab ins Bett und morgen hoffentlich einigermassen fit wieder auf Arbeit. Schließlich ist das der erste Tag des nächsten halbem Jahres hier in Shanghai. Jetzt nur noch vom Rechner aufstehen und... Aaahhhh, meine Beine...